Deutschlands Rassismus heute...
Mit:
Turgay Ulu (Refugee Protest Camp, Oranienplatz)
Bündnis gegen Rassismus (Berlin)
Denise Garcia Bergt (Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen)
Selbstorganisierte Roma-Aktivist_innen (angefragt)
und Fight Racism Now!
Vor 20 Jahren, am 26. Mai 1993, wurde nach einer rassistischen Hetz- und Mordkampagne aus der Mitte der Gesellschaft das Grundrecht auf Asyl abgeschafft. Für Nazis und Rassist_innen war diese Grundgesetzänderung ein politischer Triumph. Drei Tage später haben vier von ihnen das Haus der Solinger Familie Genç angezündet und fünf Menschen ermordet: Hatice Genç, Hülya Genç, Saime Genç, Gürsün İnce und Gülüstan Öztürk.
Diese Ereignisse unmittelbar nach der Einheit prägen Deutschland bis heute. Die Mehrheitsgesellschaft hat 1993 festgeschrieben, dass die von rassistischer Gewalt und Ausgrenzung Betroffenen selbst für ihre Diskriminierung verantwortlich sind. Das gilt für Asylsuchende, für Roma und für Millionen Menschen, die noch immer “Migranten” genannt werden, selbst wenn sie hier geboren wurden. Mit rassistischen Begriffen wird unterstellt, sie wollten den Sozialstaat ausnutzen und sich nicht integrieren.
Die Ereignisse von 1993 waren auch die Geburtsstunde der “Generation NSU” – einer Generation von Nazis, die den rassistischen Massenkonsens der Wendejahre selbst erlebt hatten. Die erfahren hatten, dass sich Gewalt und Mord für sie politisch auszahlt. Mehr als ein Jahrzehnt lang konnte der NSU unbehelligt morden, Bomben legen und Banken ausrauben, weil die deutsche Gesellschaft sich darauf festgelegt hatte, dass die Schuldigen dem “Milieu” der Opfer entstammen mussten.
Der 1993 beschlossene Artikel 16a des Grundgesetzes wurde zur Blaupause für das deutsch-europäische Grenz- und Abschieberegime, dem in den vergangenen 20 Jahren mehr als 16.000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Zehntausende Asylsuchende werden von Deutschland in überfüllte, abgelegene und heruntergekommene Lager gesteckt, wo sie teils mehr als zehn Jahre in Armut und Unsicherheit leben müssen. Roma werden wie vor 20 Jahren stigmatisiert und möglichst schnell abgeschoben. Und wer sich entschlossen gegen Nazis einsetzt, wird von den staatstragenden Parteien als “extremistisch” abgestempelt. Während Millionen Menschen durch rassistische Sondergesetze und durch die Ausländerbehörde diskriminiert werden, feiert sich die Mehrheitsgesellschaft als “tolerant” und “ausländerfreundlich”.
Antirassistische Gruppen stemmen sich seit 20 Jahren gegen alltäglichen und institutionellen Rassismus. Und die aktuellen Proteste der Geflüchteten haben diesem Kampf neuen Schwung gegeben. Trotzdem fällt es schwer, einen gemeinsamen und entschlossenen Widerstand zu organisieren. Woran liegt das? Wie können wir besser zusammenarbeiten?